Seite 22 - UKG live - Mitarbeiterzeitung 2 | 2012

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2|2012
besser informiert
Sie begegnen uns mittlerweile auf vielen Stationen, in Diagnostikabteilungen, Sekretariaten
und Laboren: Künstliche Fingernägel. Befürworter halten sie – neben dem ästhetischen Aspekt –
sogar für hygienischer als natürliche, unbehandelte Nägel. Mehrere Studien belegen jedoch
genau das Gegenteil.
Nagellack oder künstliche Nägel stellen
eine glatte Oberfläche über dem Nagel
her. Das wird oft fälschlich als positiv aus-
gelegt. Experimentell konnte nachgewie-
sen werden: Frisch aufgetragener Nagel-
lack ist nicht beständig gegen alkoholische
Händedesinfektionsmittel. Auf speziell ge-
härtetemNagellack, wie er in Nagelstudios
zur Anwendung kommt, kann Desinfek-
tionsmittel sogar nur ungenügend haften.
In beiden Fällen ist eine Händedesinfek-
tion nur unzureichend durchführbar. Na-
türliche Fingernägel dagegen lagern be-
sonders viel Desinfektionsmittel auf ihrer
Oberfläche an.
Durch die unzureichende Desinfektion
neigen künstliche Fingernägel nachweis-
lich zu höherer Verkeimung, speziell am
Klebefalz. Experimentell belegt ist, dass
künstliche Nägel zu 87% mit pathogenen
Mikroorganismen behaftet sind, natürli-
che nur zu 43%, mit gramnegativen Stäb-
chenbakterien (z. B. E. coli, Pseudomona-
den oder Salmonellen) zu 47% (vs. 17%)
und mit Pilzen bis zu 50% (vs. 13%). Es ist
also ein Irrglaube, künstliche Fingernägel
würden vor Nagelpilz schützen. Außerdem
verkeimen künstliche Fingernägel mit der
Tragedauer massiv: Nach einem Tag ist bei
21% ein Erregernachweis möglich, nach
15 Tagen schon bei 71%. Außerdem steigt
die nachweisbare Keimmenge mit der
Länge des Fingernagels. Deutschlandweit
konnte das Tragen künstlicher Nägel sogar
wiederholt als Quelle für Ausbrüche post-
operativer Wundinfektionen identifiziert
werden (mehr als 10 Ausbrüche).
(Hirschmann et. al. 2008 Krh.+ Inf. verh. 30-5:174)
Auch Finger- und Armschmuck kann zu
einer wahren Keimschleuder mutieren.
Besonders breite Ringe verhindern das
Unterlaufen mit Desinfektionsmittel. Ge-
langt es doch darunter, kann es nicht ver-
dunsten und wirkt durch seinen hohen
Alkoholanteil oft hautirritierend. Deswe-
gen müssen Ringe zur hygienischen Hän-
dedesinfektion abgezogen werden und
dürfen erst nach Abschluss aller asepti-
schen oder patientennahen Tätigkeiten
wieder angezogen werden – in der Regel
bei Arbeitsende. Eheringe werden oft als
Ausnahme angesehen, da sie eher als Sta-
tussymbol gelten und nicht als Schmuck.
Doch Krankheitserreger machen diese
Unterscheidung nicht. Deswegen werden
sie in der „Technischen Regel für Biologi-
sche Arbeitsstoffe“ (TRBA 250) auch expli-
zit untersagt. Außerdem führt das Tragen
Streitthema künstliche Fingernägel
von Eheringen zu erhöhter Perforations-
häufigkeit von OP-Handschuhen. Auch
lockere Ketten, Bändchen und ähnlicher
Armschmuck sollten im Arbeitsalltag nicht
getragen werden. Sie fallen immer wieder
über die Handgelenke und können Keime
gut verteilen. Die hygienische Händedes-
infektion muss die Handgelenke mit er-
fassen und darf nicht behindert werden.
Das gleiche gilt für Armbanduhren. Diese
sind nach der TRBA 250 nicht bei asepti-
schen Arbeiten zulässig, zumal unter dem
Metallboden bei körperlicher Arbeit der
Schweiß nicht verdunstet und als Nährme-
dium die Vermehrung von Mikroorganis-
men begünstigt. Fazit der Studien ist, dass
bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen
weder künstliche Fingernägel, Nagellack
und sonstige Nagelverzierungen, noch
das Tragen von Ringen, Armketten und
-bändern zu tolerieren ist.
Und wer das Ergebnis dieser Studien
kennt, wird bei seinem nächsten Arzt-
oder Kosmetikbesuch sicher besonders
aufmerksam die Fingernägel und Hände
des Behandelnden betrachten.
Sebastian Maletzki
Literaturempfehlung
• Richtlinie des Robert-Koch Instituts,
Kap. C1.1
• Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin, TRBA250
„Biologische Arbeitsstoffe im
Gesundheitswesen und in der
Wohlfahrtspflege“
• Deutsche Gesellschaft für Kranken-
haushygiene, Konsensus des
DGKH-Vorstandes 10.2010
• Gesetzliche Unfallversicherung,
Regelung GUV-R209
• Händedesinfektion und Hände-
hygiene. AWMF-Leitlinien-Register
Nr. 029/027