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Weltnierentag: Laut sein für das stille Organ

Dass Greifswald seinen ganz eigenen Weltnierentag hat, fußt auf Initiative von Prof. Nicole Endlich und ihrem Team. Was einst 2019 zum jährlichen Aktionstag im März noch im kleinen Rahmen stattfand und später dann durch die Coronapandemie immer wieder in die wärmere Jahreszeit verlegt wurde, hat mittlerweile seine ganz eigene Dynamik entwickelt. Und so fand sich am 17. Mai eine bunte Mischung aus Betroffenen, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Wirtschaftsvertreter*innen zunächst in der Straze zusammen, um sich über zukunftsträchtige Forschung, moderne Behandlungsmethoden und Prävention auszutauschen.

 

Sensibilisieren und aufklären

„Mir ist es wichtig, Nierenerkrankten eine Stimme zu geben“, betont Nicole Endlich, „denn wenn sie viermal in der Woche zur Dialyse gehen, bleibt nicht mehr viel Kraft, um etwas zu bewegen“. Dieses stille Leiden der Betroffenen führe dazu, dass nicht ausreichend über Nierenerkrankungen berichtet wird. Es brauche einen öffentlichen Austausch, damit auch die Politik sensibilisiert werde – gerade in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Zahlen der Nierenerkrankten besonders hoch seien.

Baustellen rund um die Niere gebe es zur Genüge: „Wir haben keine Medikamente für 80 Prozent der Nierenerkrankungen und die Behandlung läuft noch ab wie in der Steinzeit“, mahnt Nicole Endlich. In etlichen Fällen werden die Patient*innen zu früh an die Dialyse gebracht. Kortison werde in vielen Fällen verabreicht, obwohl es bei vielen Erkrankten keine Wirkung habe. „Wir müssen endlich anfangen, auch bei Nierenerkrankten punktgenau auf die Zellen und Genome zu schauen“, so die Professorin weiter, „und dabei gibt es bereits hochsensitive Diagnoseverfahren, die uns darstellen können, wo im Körper welche Auffälligkeiten sind und wie stark Veränderungen an der Niere bereits vorangeschritten sind“.

 

Zielorientierte Forschung

Darauf bezieht sich auch Prof. Tobias Huber vom UKE Hamburg. Er war einer der vielen renommierten Referent*innen, die im Rahmen des Weltnierentags Fachvorträge hielten. In seinem aktuellen Paper beschreibt er einen Antikörper gegen ein zentrales Protein in der Niere, der im Blut nachgewiesen werden kann. Die Folge: Durch diesen Antikörper kann die Niere zerstört werden.

Für die Behandlungspraxis der Erkrankten bedeutet das, dass man frühzeitig diese Antikörper nachweisen sollte. „Wir haben zum Beispiel eine Patientin, die bereits eine neue Niere bekommen hat, diese nun aber allmählich ebenso zerstört wird“, erklärt Nicole Endlich. Deshalb sei es in diesem Fall wichtig, den löslichen Faktor aus dem Blut herauszuholen. Nur so könne der Zerstörungsprozess in der Niere gestoppt werden.

 

Zielorientierte Forschung sei hier das A und O. Doch an vielen Stellen fehle das Geld. „Deshalb brauchen wir natürlich auch die Unterstützung aus der Politik“, so Endlich.

Und es tut sich was: Ein Innovationsfonds-Projekt zusammen mit der Techniker Krankenkasse sei in Planung. Eine Präventionsstudie soll gestartet werden. Dabei werden 10.000 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern angeschrieben. Sie werden ein Infoblatt und ein Röhrchen mit Gel erhalten, das mit Urin gefüllt werden soll. Die vermutlich gesunden Menschen schicken das dann zurück an die UMG, wo analysiert werden soll, ob Faktoren im Urin vorhanden sind, die auf eine Erkrankung der Niere hindeuten. „Denn Nierenerkrankungen sind schmerzfrei, man kriegt das nicht mit – häufig erst, wenn es zu spät ist“, erzählt Endlich. Durch diese einfache Testung könne man frühzeitig eine Erkrankung feststellen, noch bevor sie schwerwiegende Folgen für die Patient*innen habe.

 

Erst der fachliche Austausch, dann die große Party

Der Weltnierentag hat gezeigt: Es ist viel Luft nach oben, doch die Forschung schläft nicht. Um etwas zu bewegen, braucht es öffentlichen Druck. Die Stimmen müssen lauter werden, um den stillen Betroffenen zu helfen. Nur so kann die Politik auch mit zielorientierten Geldern reagieren.

Richtig laut wurde es nochmal am Abend im Strandbad Eldena. Bei der „Save the Kidney“-Party kamen etwa 4.000 Besucher*innen zusammen, um zu feiern. „Wir wollen ja auch junge Menschen mit unserem Anliegen erreichen“, so Endlich. Die Veranstaltung sei insgesamt ein voller Erfolg gewesen. Akteur*innen aus der Gesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft tauschten sich aus, knüpften neue Netzwerke und schmiedeten Pläne – um dem stillen Organ mehr Gehör zu verschaffen.

 

 

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